Twitterpflicht für Politiker?

gepostet von Johan am

Benedikt Köhler schrieb von no taxation without microblogging, dass man Politiker zum Twittern verdonnern sollte, schließlich sei es ja auch in ihrem Interesse. Er schreibt:

Politiker werden wie Wissenschaftler oder öffentlich-rechtliche Moderatoren von uns, den Steuerzahlern bezahlt, die im Gegenzug dafür das Recht haben, zu erfahren, was ihre Mandatsträger für ihr Wohl leisten.

Damit hat er zweifelsohne Recht. Daraus abzuleiten, dass jeder Politiker twittern müsste ist allerdings weder wünschenswert, noch realisierbar, dass jeder Politiker twittert. Benedikt Köhler macht selbst eine Einschränkung, wenn er schreibt, dass es ja nicht Twitter sein müsste, aber ein Microblog sollte es sein.

Betrachten wir mal die Realität: Nur ein Bruchteil der Bürger Deutschlands twittert. Und diese wenigen, die auf Twitter aktiv sind gehören auch noch zu einem kleinen Ausschnitt der Gesellschaft (zu dem ich auch gehöre). Ergo: Ein Politiker der twittert erreicht nur eine kleine Gruppierung der Gesellschaft und – machen wir uns nichts vor – auch diese ist nicht besonders politisch interessiert oder motiviert (von einem kleinen Themenausschnitt abgesehen).
Ein Politiker muss seine Zeit einteilen und möglichst Breitenwirkung und Transparenz zu erreichen (Genau dies wird ja auch von Benedikt Köhler angefordert). Für diese Breitenwirkung kann Twitter nur einer von vielen Kanälen sein. Einer mit einem großen Nachteil (der gleichzeitig den Erfolg des Netzwerks ausmacht): Die Limitierung auf 140 Zeichen ist nicht förderlich für seriöse Diskussionsführung. Politische Prozesse sind komplex (das schreckt schon viele Menschen ab), Twitter ist massiv reduziert. Twitter kann allenfalls ein ergänzendes Tool sein.

Mit Twitter verbringen Politiker also Zeit, um mit wenigen Menschen zu sprechen, die wenig Interesse an ihnen haben (man beachte die Followerzahlen), um sie in einer Art und Weise über ihre Arbeit zu informieren, die nicht dafür gemacht ist. Facebook kommt da schon eher in Frage. Mehr Nutzer, leichter strukturierbare Diskussionen und nicht so ein geringes Limit der Nachrichten. Aber auch hier gilt: Ein Ausschnitt der Gesellschaft.

Politik soll ein Querschnitt der Gesellschaft sein. Von digital natives wird oft beklagt, dass online keine Rolle bei der Politik spielt und Politiker keine Ahnung von online haben. Nun betonen die meisten Diskutanten gleichzeitig, dass mehr Medienkompetenz bei den Nutzern wichtig und notwendig ist. Wenn aber Politiker nicht medienkompetent sind, warum sollten sie dann das Medium nutzen?

Für die Politik ist Twitter kein besonders interessantes Medium, abgesehen von dem Hype, den Twitter erfahren hat und dem Anstrich, den sich twitternde Politiker durch die Nutzung geben (jung, medienaffin, dynamisch, etc.) – und natürlich dem Treffen interessanter Menschen und vielen spannenden, unterhaltsamen Informationen.

Kommentare

  1. Johan

    Zum Thema ist noch eine Menge mehr zu sagen und der post ist eher quick&dirty, aber ich wurde gewaltsam vom Rechner entfernt. 😉

  2. Stecki

    Ich habe bei Furukama eben nur das Wort „Staatstwitter“ gelesen und einen mittelschweren Kollaps erlitten…

  3. Manuel Busch

    Irgendwann WIRD jeder Politiker twittern – weil ers kann und weil ers will. Eine Art Zwang ist aber absoluter Bullshit. Das würde nämlich zu diversen Lächerlichkeiten führen, wenn z.B Leute aus dem Themenbereich Baurecht keine Ahnung vom Internet haben und man denen das anmerkt.
    Bei Politikern, die das Internet kennen, da merk man das. Allen anderen sollte man Zeit geben zum lernen..

  4. Benedikt

    @Stecki: Das war durchaus beabsichtigt. Der Begriff „Staatstwitter“ klingt erst einmal grauenvoll. Aber ich denke, die Diskussion über inhaltsneutrale Social-Networking-Plattformen oder eben Microblogging-Dienste ist längst überfällig. So viel man am öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem kritisieren mag, die grundsätzliche Idee eines von ökonomischer Rationalität befreiten Trägermediums halte ich für sehr wichtig.

  5. Johan

    @Manuel: Ich würde eine ganze Menge Papiergeld verwetten, dass nicht irgendwann alle Politiker twittern. Es wird nicht jeder wollen und nicht jeder es können wird. Ich glaube die Halbwertzeit von Twitter dürfte zu kurz sein, um jeden Abgeordneten in die Richtung zu bewegen.

    @Benedikt: Es gibt große Unterschiede zwischen einem Staatstwitter und einem dezentralen Open-Source-Twitter zum Beispiel. Der Staat wäre nie in der Lage auch nur ein halbwegs brauchbares Twitter auf die Beine zu stellen. Mal abgesehen davon, dass es wohl kaum Jemand nutzen würde. Schließlich gibt es auch einen Unterschied zwischen Daten in „die Cloud packen“ und „Daten auf Staatsserver packen“.