Selbstbedienung mit dem großen Griff

gepostet von Johan am

Die Stadtverordnetenversammlung hat gestern entschieden sich die eigenen Taschen mit Steuergeldern voll zu stopfen. Um ganze 5� im Monat wurde die Aufwandspauschale erhöht und um gigantomanische 2� die Sitzungspauschale.

Meine sämtlichen Aufwendungen (Mobilitäts- und Kommunikationsbedarf, sowie Verdienstausfall, bei einigen Kollegen noch Kinderbetreuung und ähnliches) werden also in Zukunft pauschal mit 35� im Monat entschädigt. Im Gegensatz zum Bundestag gibt es hier noch eine Leistungskomponente. Wenn ich mehr Sitzungen besuche, dann bekomme ich auch mehr Geld, nämlich 17� pro Sitzung.

Trotz dieser sehr moderaten Anpassung hat Herr Düwel in einem längeren Beitrag in der Sitzung gestern die Rechtfertigung vorgetragen, mit der wir diese Erhöhung vor dem Bürger verantworten. Ich fasse die mal kurz zusammen:

  1. Es handelt sich um eine Aufwandsentschädigung, nicht um eine Diät.
  2. Mit der Ausübung der kommunalen Ämter sind Aufwendungen verbunden. Die sollen bezahlt werden, damit es jedem möglich ist ein Mandat auszuüben, auch Studenten, Azubis, Arbeitslosen, Hausfrauen, Gerningverdienern, etc. man soll nicht noch reinbuttern dafür, dass man das Amt ausübt.
  3. Die Erhöhung in Ahrensburg ist sehr gering (s.o.)
  4. Die Erhöhung hätte auch höher ausfallen können, wenn die Stadtverordnetenversammlung es gewollt hätte. Nach den vom Land veröffentlichten Richtlinien hätten wir uns auch nach den Richtlinien für Städte über 30.000 � entschädigen lassen können.

Für mich kommen noch ein paar Aspekte hinzu, die meistens nicht gesehen werden: In den meisten Fraktionen ist im Rahmen ihrer Geschäftsordnungen vorgesehen, dass die Mitglieder der Fraktion einen bestimmten Betrag (meist zwischen 50-100 � im ehrenamtlichen Bereich) der Parteikasse zu gute kommen lassen, damit man für den nächsten Wahlkampf gerüstet ist. Zusätzlich zu den regulären Mitgliedsbeiträgen, die man an die Partei zahlt, die natürlich notwendig sind, schließlich muss ich Mitglied einer Partei sein, um Mitglied einer Fraktion zu sein (zumindest in der Regel).

In manchen Fraktionen kommen zusätzlich noch Strafspenden bei Nichtanwesenheit hinzu. Dann wird von einem Abgeordneten erwartet, dass er neben der Zeit für sein Mandat auch Zeit für die Parteiarbeit einsetzt, schließlich lebt die Partei auch vom Einsatz der Mitglieder und insbesondere die Funktionsträger müssen den einfachen Mitgliedern ja zur Verfügung stehen. Auch diese Aufwendungen gehören zum Mandat.

Von den ganzen Dönern, Burgern und Pizzen, die man zwischen Uni/Arbeit und Sitzung verdrückt, weil man mal wieder nicht zu hause vorbeigekommen ist mal ganz zu schweigen. Genauso von den Kosten für Getränke auf Sitzungen (nicht nur die in irgendwelchen Restaurants, sondern auch denen im Rathaus). Oder gar dem Geld, dass für eine eventuelle Übernachtung während einer Klausurtagung gezahlt wird (zugegebenermaßen findet das auf Stadtebene nur einmal pro Wahlperiode statt). Und so läppern sich die Ausgaben, die erweitert zum Mandat dazu gehören.

Dabei hat man noch nicht einen Bürger mit interessanten Informationen, Hintergrundwissen oder Ideen zum Kaffee oder Bier eingeladen. Man hat auch noch nicht einen der monatlich ein bis zwei Überweisungsträger, die man als dezente Spendenaufforderung im Fach im Rathaus, oder im Briefkasten findet ausgefüllt und zur Bank gebracht. Man hat sich auch noch keine Lektüre gekauft, die einem vielleicht Hintergrundinformationen zur Ausübung des Mandates bieten könnte.

Vor diesem Hintergrund ist die Erhöhung sehr, sehr moderat. Ist aber auch okay, schließlich soll mir die Stadt ja auch nur die Aufwendungen erstatten, die direkt im Zusammenhang mit meinem Mandat stehen: Telefon, Internet, Porto, Sprit (gut okay, fällt bei mir inzwischen nichtmehr an.)

Das bedeutet aber: Jeder, der ehrenamtlich Kommunalpolitik macht gibt dazu. Wie sollte es auch sein, wenn man davon ausgeht, dass Sitzungen häufig drei Stunden oder mehr gehen und es bei der Aufwandsentschädigung bleibt. 5� pro Stunde reine Sitzungszeit wird entschädigt. Dabei gehe ich dann völlig unvorbereitet in die Sitzung. Und um wirklich vorbereitet in eine Sitzung zu gehen sollte man nochmal ein oder zwei Stunden investieren. Um vorbereitet zu sein, nicht um wirklich fundiert rumzudiskutieren. Mit einer Stunde Vorbereitung kann man meist anfangen bei allen Themen mitlabern. Gesagt hat man dann noch nichts.

Deshalb habe ich gestern gerne der Erhöhung zugestimmt, auch wenn ich über die Rechtfertigung nicht besonders glücklich war, die war meiner Ansicht nach nicht notwendig, auch wenn ich sie hier nochmal schriftlich vertiefe 😉

Die Grünen haben nicht zugestimmt. Ihnen passte die Erhöhung des entsprechenden Haushaltspostens um etwa 5.000� Euro nicht in die Landschaft. Na meinetwegen, diese Frage muss auch jeder selbst entscheiden. Möchte ich, dass jeder in der Lage ist dieses Mandat auszuüben, oder nehme ich im Zweifel in Kauf Jemanden von der Mitarbeit auszugrenzen, indem ich die Hürde für die Übernahme eines Ehrenamtes weiter erhöhe.

Kommentare

  1. Stecki

    Stadt- und Gemeindevertreter sollten auch mit Mindestlohn bezahlt werden 🙂

  2. Johan

    Du wirst lachen, aber bei Unter den Linden gestern, auf die ich gestern schon mal hingewiesen hatte kam mein Zitat genau wegen der Frage zustande:

    „wie hoch sollte ein Mindestlohn für Politiker sein?“

  3. Holger Cordes

    Moin Johan,

    die bei der Auflistung unter Punkt 4 gemachte Angabe 30.000 bei der Richtlinie für Städte ist für mich etwas unklar. Ich nehme mal an, in diesem Fall steht das E/� für Einwohner und nicht für Euro? Sonst ist mir die Angabe völlig unverständlich. Oder stehe ich gerade auf dem Schlauch…

    Gruss

    Holger Cordes
    Elmshorn

  4. Johan

    Oh, da ist mir wohl ein kleiner aber schwerwiegender Fehler unterlaufen.

    Es geht bei den 30.000 um Einwohner, nicht um Euro.

    Ein verständlicher Fehler, schließlich gibt es ab über 30.000 EW die nächsthöhere Stufe der möglichen Höchstentschädigung. Ahrensburg hat relativ knapp mehr als 30.000EW, dennoch haben wir (zu recht) die Entschädigung nach den Stufen für Mandatsträger von Kommunen unter 30.000EW bemessen.

    Hoffe jetzt ist klar, was ich meine, die Formulierung im Post vorhin war wirklich Müll 😉

    Danke für den Hinweis und Gruß!