Buch der coolen Leute #1

gepostet von Johan am

Seit ihrer aktuellen (läuft gerade) Rede steht Waltraud Lehn, MdB (SPD) aus Recklinghausen in meinem Buch der coolen Leute. Sie sitzt im Haushaltsausschuss und ist dort besonders für den Sozialbereich zuständig. Seit 1994 sitzt sie im Bundestag und heute hat sie um kurz vor 10 Uhr ihre Rede im Bundestag gehalten. Diese Rede ist klasse. Knackige Sprüche am Anfang, argumentativ nachgelegt.

Um sie coolzu finden muss man ihre Meinung nicht unbedingt teilen. Sie hat Humor, ist engagiert und hat damit den Eintrag Nummer 1 in meinem Buch der coolen Leute verdient!

Heute hat Sie in der Rede von Onkel Otto, dem Hausschwein ihrer Oma berichtet und es mit der FDP verglichen. Da das Protokoll logischerweise noch nicht online ist beschränke ich mich auf ein paar Zitate aus Ihrer Rede zum Haushalt im letzten Jahr:

Frau Kollegin Winterstein, manchmal ist die Politik sehr alltäglich. Ich sage zu Ihnen persönlich, aber auch zur FDP im Allgemeinen: Sie erinnern mich an meine Tante Käthe.
(Heiterkeit bei der SPD – Zuruf von der SPD: Nicht die Tante beleidigen!)

Tante Käthe kam zum ersten Geburtstag meines Sohnes. Alle dort waren guter Stimmung; es ging auch allen ganz ordentlich. Was macht Tante Käthe? Tante Käthe erzählt, dass ihre Tochter im Alter von fünf Jahren bei einer Geburtstagsfeier beinahe ertrunken wäre.
(Dr. Claudia Winterstein (FDP): Wir sind hier nicht auf einer Geburtstagsfeier!)

Ein anderes Beispiel: Tante Käthe ist auf einer Familienfeier. Die Sonne scheint, allen ist warm und alle sind zufrieden. Was macht Tante Käthe? Tante Käthe erzählt, wie schrecklich Gewitter sind.
(Heiterkeit – Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Claudia Winterstein (FDP): Hier geht es um harte Fakten und nicht um Glückwünsche!)

Tante Käthe war der Schrecken der Familie, ein Stimmungskiller und ein Nährer von Angst, obwohl wir alle dies nicht wollten. Im Übrigen hat sie überhaupt nichts verändert, auch nichts zum Besseren.

Frau Kollegin Winterstein, ich will Sie nicht mit Tante Käthe gleichsetzen; gleichwohl ist aufgrund Ihres Verhaltens die Erinnerung an Tante Käthe ausgesprochen präsent.
(Heiterkeit – Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Claudia Winterstein (FDP): Es geht hier um harte Fakten!)

Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen, wie man sich auf Situationen einstellen kann. Ich könnte hier jetzt sagen: Sie haben völlig Recht, es geht abwärts.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Es geht wirklich abwärts. Es geht abwärts mit der Zahl der Arbeitslosen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Claudia Winterstein (FDP): Was ist mit der Zahl der ALG-II-Empfänger? Geht diese Zahl auch abwärts?)

Es geht abwärts mit den Beiträgen zur Sozialversicherung. Es geht abwärts mit der Neuverschuldung. Erinnern wir uns einmal: Als ich vor wenigen Monaten hier stand, konnte ich noch nicht verkünden, dass 500 000 Menschen mehr in Beschäftigung und weniger arbeitslos sind. Die Arbeitslosenquote liegt erstmals seit fünf Jahren wieder unter 10 Prozent.

Die Rede heute hatte sogar einen noch besseren Einstieg.

[Nachtrag 15.09.2007 15:17:] Ich hab gerade mal den entsprechenden Auszug aus dem vorläufigen Bundestagsprotokoll herausgesucht. Hier ein wenig stellenweise gekürzt der faszinierende Abschnitt der Rede von Frau Lehn:

Waltraud Lehn (SPD):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nein, Tante Käthe gibt es heute nicht, heute gibt es Onkel Otto.
(Klaus Brandner (SPD): Da seid ihr überrascht, nicht?)

Eigentlich wollte ich gar nicht so einsteigen, aber Ihre Ausführungen haben mich wirklich dazu veranlasst, Sie mit Onkel Otto bekannt zu machen. Onkel Otto war kein Mensch, Onkel Otto war unser Hausschwein.
(Heiterkeit im ganzen Hause)

Onkel Otto stand in einem Stall, und der Futtertrog befand sich in einem Stall daneben.
(Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ist das eine Landwirtschaftsdebatte?)

Wenn es Futter gab, klopfte meine Oma an den Futtertrog, und das Schwein schoss durch die Tür an diesen Futtertrog heran.
(Dirk Niebel (FDP): Wie der Müntefering! – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Wie Pawlow mit seinem Hund!)

Aus baulichen Gründen wurde diese Tür zugemacht, und der Ausgang wurde an eine andere Stelle verlegt. Was machte Onkel Otto? Onkel Otto raste ständig gegen die Wand.
(Dirk Niebel (FDP): Wie der Müntefering, das sage ich ja!)

Genau das ist Ihr Problem: Sie stehen in einem Stall mit fünf Ausgängen. Was machen Sie? Sie knallen ständig mit der Birne vor die Wand.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Güte, das muss doch wehtun. Ich kann die FDP nur dringend auffordern, einmal zur Kenntnis zu nehmen: Es gibt Türen.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich will auch etwas zur PDS sagen. Die PDS steht aus meiner Sicht im gleichen Stall und ist dabei, jede vorhandene Öffnung zuzumauern.
(Dirk Niebel (FDP): Mit Zumauern kennt sie sich ja aus!)

Man kann geradezu sehen, dass alle Ausgänge irgendwann zu sind und das Schwein verhungert.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Frau Kollegin Lehn, ich unterbreche Sie ungern. Aber der Kollege Meckelburg möchte gern eine Zwischenfrage stellen. Wie ich sehe, erlauben Sie das.

Bitte, Herr Meckelburg.

Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU):

Frau Kollegin Lehn, Sie haben in der letzten Haushaltsberatung die Geschichte Ihrer Tante Käthe erzählt. Nun kommen Sie mit Onkel Otto. Ist Ihre Verwandtschaft sehr groß,
(Heiterkeit im ganzen Hause)

und dürfen wir die Aufarbeitung Ihrer Familiengeschichte auch in den nächsten Jahren erleben?
(Heiterkeit im ganzen Hause – Klaus Brandner (SPD): Wenn es der Sache dient, mit Sicherheit!)

Waltraud Lehn (SPD):

Herr Kollege, ich bin die Älteste von elf Kindern.
(Heiterkeit im ganzen Hause)

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